Der PASO, das etwas andere Pferd Die hippologische Welt wird immer farbenprächtiger. Altbekannte, weitverbreitete Rassen ergänzen sich mit vielen wiederentdeckten Spezialrassen zu einer Palette, die nahezu jeden Reiteranspruch zufriedenstellt. Jeder, der sich mit einer Pferderasse beschäftigt, wird feststellen, daß 'seine' Rasse einzigartig ist. Wo immer Pasopferde in der Öffentlichkeit auftreten, sind sie umringt von neugierigen Interessenten und Bewunderern. Was ist an diesen Pferden so besonders, daß sie auch heute noch - und mit zunehmender Tendenz - auf die Reiter eine so ungeheure Faszination ausüben? Das Phänomen Pasopferd ist schwer zu beschreiben und doch so einfach zu begreifen: Aufsitzen und sich wohl fühlen.
Tölt ohne Ende Das Wesensmerkmal aller Pasopferde ist die genetisch fixierte Töltveranlagung. Sie ist - und mit dieser Feststellung tut man anderen Gangpferderassen kein Unrecht - stärker ausgeprägt, als bei jedem anderen Pferd. Pasopferde sind Naturtölter. Das bedeutet, daß der Tölt in all seinen Variationen und mit all seinen Spezialbezeichnungen die Basisgangart ist, die das Pasopferd von Natur aus ohne Spezialausbildung und ohne manipulatorische Maßnahmen immer anbietet. Ein guter Reiter und eine solide Ausbildung verfeinern das, was dem Pferd in die Wiege gelegt wurde, zum absoluten Genuß.
Allegro con Brio Pasoreiten hat etwas Musikalisches. Nicht die strenge Ordnung der Marschmusik, sondern das leichtfüßige, tänzerische und kreative ist diesen Pferden auf den Leib geschneidert. Wir übersetzen "Allegro" in diesem Fall nicht mit "Rennmaschine". Da sind andere Rassen gefragt. Hier sind eher leichtfüßige Emsigkeit, das Lebhafte, eifrig Spritzige oder tänzerisch Gleitende gemeint. Und hier stoßen wir auf das zweite Wesensmerkmal, das die Pasopferde wie kaum eine andere Pferderasse verkörpern, und welches in dem Wort "Brio" so treffend und dennoch umständlich zu übersetzen, zum Ausdruck gebracht wird. Arbeitseifer, Menschenbezogenheit, nobler Charakter, feinfühlig, sensibel, vertrauensvoll, gelehrsam und ständig bereit, dem Reiter zu gefallen - Temperament mit zwei Fingern dosierbar, niemals aufsässig, immer kooperativ: das alles und mehr - verbirgt sich hinter dem Wort "Brio". Aber statt umständlicher Übersetzungsversuche auch hier: Aufsitzen und Brio erfahren.
Paradox? Kann ein Pferd mit so extremen Veranlagungen ein ideales Freizeitpferd sein? Wir sind der Meinung, daß nur solche Pferde das Prädikat Freizeitpferd verdienen. Für uns sind Freizeitpferde nicht Abfallprodukte der Sportpferdezucht. Ein Pferd mit den oben erwähnten Gang- und Charaktermerkmalen ist der Freizeitkamerad schlechthin, da es gleichermaßen dem sportlich ambitionierten wie dem erholungssuchenden Reiter ein weites Einsatzfeld bietet.
Die Wiege der Pasopferde ... stand in Europa. Im Mittelalter war die Mehrzahl der gerittenen Pferde solche mit lateraler Gangveranlagung, als Zelter (Tölter) oder Paßgänger bezeichnet. Die Eroberung Südamerikas brachte diese Pferde in die Neue Welt. Dort wurden die Gang- und Charaktermerkmale im Sinne iberischer Reittradition weiterselektiert, während in Europa zunächst das trabveranlagte Pferd favorisiert wurde. So hat sich in Südamerika wertvolles Genmaterial erhalten, auf welchem die heutigen Pasozuchten aufbauen.
Modalidades Neben den erwähnten "Pasoschlägen", die im wesentlichen in ihren Ursprungsländern, in den USA und Europa rein weitergezüchtet werden, entsteht nach und nach eine wachsende Gruppe von Kreuzungen von Pasopferden untereinander oder mit anderen töltenden oder nichttöltenden Rassen. Da diese Pferde in ihren Veranlagungen recht variabel zwischen den Ursprungsrassen angesiedelt sind, ist es durchaus sinnvoll, ihnen eine angemessene Art der reiterlichen Präsentation zuteil werden zu lassen. Die Sportprüfungsordnung des PV berücksichtigt dies, indem sie generell keinerlei Vorgaben macht, welches Pferd in welcher Prüfung zu starten hat. Naturgemäß werden bestimmte Prüfungen immer die Domäne der spezialisierten "Rasse" bleiben. Modalidad, d.h. Typspezifität ist der terminus technicus dazu.
Laut Satzung des PV sind Kreuzungen zu den Sportprüfungen zugelassen, sofern sie einen Mindestblutanteil von 50% Pasoblut haben. Solche Pferde werden in aller Regel so viele pasotypische Points aufweisen, daß eine stilechte Präsentation im Rahmen der übrigen Pasopferde möglich ist. Auch wenn dieses Reglement zunächst wie eine Konzession an bestehende Verhältnisse aussieht - schließlich gibt es Partbreds und ihre Zahl wächst - so hat der Züchter mit den Partbredpferden noch eine andere Option im Hinterkopf. Es ist der Aspekt der möglichen Blutauffrischung. Wir sind gewohnt, die Begriffe "reinrassig" und "Rassezucht" mit einer deutlichen positiven Wertung zu verknüpfen. Der Genetiker sieht das wertfrei. Reinzucht ist kein Prädikat, sondern eine von mehreren Zuchtmethoden. Reinzucht darf nicht zum Mythos werden, Partbredzucht heißt nicht unüberlegt Kreuzungen produzieren. Keine Reinzucht kann langfristig ohne Fremdblut auskommen, ohne Schaden zu nehmen. Unter diesem Aspekt könnte durchaus ein Partbred irgendwann einmal helfen, aus einem züchterischen Engpaß herauszufinden. Das umsomehr, wenn man an eine Art Rückkreuzung mit den Ursprungsrassen denkt, wie sie in Lateinamerika in enger Anlehnung an die aus der iberischen Heimat der Kreolen übernommenen Traditionen gang und gäbe ist. Die Zukunft muß zeigen ob, wenn wir von diesem Schritt Gebrauch machen, der resultierende Pasotyp bei uns ebensoviel Begeisterung erregt, wie die schon etablierten acht Modalidades aus der breiten Palette aller Pasoschläge.